Dein Unternehmen weiterbringen: Unterscheide Projekte von Prozessen


Ich bin ehrlich frustriert, wenn ich sehe, wie manche Selbstständige wachsen wollen und gleichzeitig irgendwie vor sich hin wurschteln. Sich einerseits denken: „Läuft ja schon alles irgendwie“, sich andererseits wundern, dass sie zu viel im Alltagsgeschäft hängen, um ihr Unternehmen zu vergrößern. Dabei machen sie meistens schon Fehler bei den organisatorischen Grundlagen.

Das geht bei einem wesentlichen Missverständnis los: Dem Unterschied zwischen Projekten und Prozessen.

Einmalige Projekte vs. wiederholbare Prozesse

Ein Projekt läuft immer nur einmal, mit einem bestimmten Ziel, einem bestimmten Budget und meist auch bestimmten Personen. Das beste Beispiel dafür ist die Unternehmensgründung: Das machen wir nicht so oft, meistens sogar nur einmal im Laufe der Selbstständigkeit. Mit all dem Drumherum gilt es viel zu planen, zu berücksichtigen und die unterschiedlichsten Sachen zu organisieren. Aber irgendwann ist das Unternehmen gegründet und das Projekt „Gründung“ abgeschlossen.

Ein Prozess dagegen läuft mehrmals, ist wiederholbar, und zwar zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Personen. Du musst beispielsweise regelmäßig Angebote für Kunden schreiben. Dabei gehst du vom selben Start (den Bedürfnissen + Zielen des Kunden) hin zu immer dem gleichen Ergebnis (dein spezifisch abgestimmtes Leistungsangebot).

Nicht immer ist eindeutig, ob etwas noch ein Projekt oder schon ein Prozess ist. Manchmal ähneln sich zwei Projekte in vielen Punkten oder ein Projekt wird wiederholt, weil das Ergebnis nicht passte. Sobald man etwas mehrmals macht und weiß, dass es in Zukunft wieder gemacht wird, ist es ein Prozess.

Zu viele Selbstständige denken in Projekten. Das ist ein Fehler!

Du verdienst dein Geld mit Prozessen

Schauen wir uns eine Webagentur an. Auf Anhieb könnte man so denken: Da kommt ein Kunde, der genau eine Website von der Webagentur haben will. Die Website soll einzigartig sein und sich von der Konkurrenz abheben. Also hat die Webagentur ein Projekt, das sie mit dem Kunden durchführt.

Wie falsch diese Sichtweise ist, wird klar, sobald der nächste Kunde kommt: Wieder eine Website, die sich natürlich in einzigartiger Weise von der Konkurrenz abheben soll. Und da es ja eine professionelle Webagentur ist, kommt ein Kunde nach dem anderen, um sich eine Website bauen zu lassen.

Aber was genau macht so eine Webagentur eigentlich konkret für jeden Kunden?

  • Sie erfragt die Kundenwünsche, um zu verstehen (z. B. über das Aussehen der Seite)
  • Sie erstellt einen Plan, wie die Website später aussehen soll (ähnlich einem Architekten, der ein Haus schon vor dem Bau genauer plant)
  • Sie setzt den Plan um und baut die eigentliche Website (Design & Layout wollen gestaltet werden, die Seite muss programmiert werden, etc.)
  • Zum Abschluss stimmt sie mit dem Kunden ab, ob alles in Ordnung ist, ggf. werden noch letzte Änderungswünsche umgesetzt.

All diese Schritte macht sie bei jeder einzelnen Website, die sie für ihre Kunden baut. Und genau durch diese Wiederholung der gleichen Aktivitäten für einen bestimmten Start („Kunde möchte eine Website“) hin zu einem bestimmten Ziel („Kunde hat seine Website“) wird es zu einem Prozess. Und dieser Prozess ist es, der dem Kunden hilft, der ihm einen Wert schafft. Hierfür bezahlt der Kunde sein Geld.

Das lässt sich so ähnlich bei jedem Unternehmen wiederfinden – auch bei dir! Gerade DienstleisterInnen verdienen ihr Geld mit Prozessen, nicht mit Projekten. Aus Sicht des Kunden mag der Website-Bau ein Projekt sein, das er nur alle paar Jahre mal wiederholt. Wer als DienstleisterIn eine Website nach der anderen baut, hat einen Prozess vor sich.

Wer nun mehr verdienen möchte, muss seine Prozesse optimieren. Denn dann kann er an zwei Schrauben drehen:

-> Entweder durch die Optimierung ist es möglich, mehrere Prozessdurchläufe parallel durchzuführen (im Beispiel: Die Webagentur kann in derselben Zeit mehr Websites gleichzeitig bauen).

-> Oder ein optimierter Prozessdurchlauf bringt mehr, weil er schneller oder müheloser abläuft (im Beispiel: statt zwei MitarbeiterInnen kann nun ein Mitarbeiter in derselben Zeit die Website alleine bauen, die Kosten pro Website sinken).

Der Knackpunkt liegt also in der Perspektive: Sobald unsere Webagentur den Website-Bau als Prozess betrachtet, kann sie ihn richtig optimieren und auf Wachstumskurs bringen.

Verkappte Prozesse verhindern Wachstum

Viele Selbstständige stecken in der Tretmühle: Sie schaffen und schaffen und schaffen und arbeiten einen Auftrag nach dem anderen ab. Das Problem ist nicht die fehlende Arbeit, es gibt genug zu tun. Doch gerade durch die ganze Arbeit merken wir nicht, was wir verpassen: Das Optimieren.

Wir gucken gar nicht, was besser für unsere Selbstständigkeit und für uns wäre. Wie wir das alles etwas einfacher machen könnten – egal ob mit oder ohne MitarbeiterInnen. Unsere Zeit ist nun mal begrenzt, selbst wenn wir Tag und Nacht arbeiten. Ziemlich schnell ist Schluss mit lustig.

[Apropos: Guck mal, wie es mit deiner Produktivität eigentlich steht.]

Sobald du wiederkehrende Arbeitsschritte als Prozess ansiehst, kannst du dein Unternehmen weiterbringen. Du kannst jeden Prozess, jeden wiederholenden Ablauf näher betrachten:

  • Was mache ich bisher? Wie mache ich das?
  • Warum mache ich das eigentlich? Für den Kunden? Oder für mich? Oder bringt es eigentlich keinem was?
  • Welche Schnittstellen gibt es? Von wem brauche ich vorher etwas, wem liefere ich zu?
  • Was lässt sich optimieren? Was lässt sich automatisieren?

Eingangs habe ich schon von „Angebote erstellen“ geschrieben. Du würdest dir also überlegen: Welche Einzelschritte/Handgriffe gibt es in diesem Prozess bisher, zum Beispiel:

  • Eckdaten vom Kunden erfragen
  • Materialrecherche
  • Kalkulation
  • Angebot schreiben

Die halbe Miete besteht schon darin, überhaupt richtig zu erkennen, wo eigentlich welcher Handgriff vorkommt. Wenn wir erstmal drüber nachdenken, was genau wir wirklich tun müssen, kommt da nämlich ganz schön was zusammen.

„Angebot schreiben“ klingt recht übersichtlich, aber es passiert doch einiges: Das eigentliche Angebot als Dokument muss geschrieben werden, es muss nachvollziehbar dokumentiert und abgelegt werden, auf Wiedervorlage gelegt und oft muss es auch in der Warenwirtschaft erfasst werden. Überleg dir auch, wie lange die einzelnen Schritte eigentlich dauern, welche Teilschritte häufig schiefgehen oder wo öfters mal was fehlt. Häufig kommt es immer wieder an denselben Stellen zu Wartezeiten, was weitere Verzögerungen nach sich zieht. Es gibt unheimlich viele Punkte, an denen unsere Prozesse verbessert werden können (z. B. mit deinem Steuerberater…)

Klar, das ist zu Anfang ungewohnt. Bei vielen Sachen hat man sich auch etwas gedacht, als man sie so gemacht hat. Du wirst sehen: Wenn man erstmal anfängt, wiederkehrende Abläufe als Prozess zu standardisieren, kann man es sich an so vielen Stellen leichter machen, etwa indem man die richtigen Mitarbeiter am richtigen Punkt einsetzt.

Für die Optimierung musst du zwar einmalig Zeit investieren, dann aber profitierst du jedes weitere Mal davon. So kann dein Business wachsen.

Geschrieben von:
Sven Meyer

Sven Meyer

Studierter Wirtschaftsinformatiker, ausgebildeter Großhandelskaufmann, fünf Jahre Berufserfahrung als Sachbearbeiter im pharmazeutischen Großhandel. Während des Studiums war ich selbstständig und seit Februar 2019 bin ich fest als Technical SEO Manager angestellt.

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