Automatisierung: Was heißt das eigentlich für uns Kleine?


Automatisierung: Damit bin ich als ITler die meiste Zeit des Tages beschäftigt. Kein Wunder, dass ich das auch allen Selbstständigen ans Herz lege. Gerade EinzelunternehmerInnen und Firmen mit wenigen MitarbeiterInnen denken oft, dass Automatisierung nur ein Thema für die Großen ist.

Das stimmt nicht! Im Gegenteil: Du wirst gleich staunen, dass du bereits das eine oder andere automatisiert hast, nur würdest du es vermutlich gar nicht so nennen.

Was ist Automatisierung eigentlich?

Mal ganz simpel ausgedrückt: Wenn ein Arbeitsschritt, den vorher ein Mensch gemacht hat, durch den Computer erledigt wird, wurde dieser Arbeitsschritt automatisiert.

Das ist jetzt tückisch. Abgesehen vom Imageschaden, den das Automatisieren hat („Das ist so unpersönlich!“, „Muss denn alles wegrationalisiert werden?!“), werden hier oft gute erste Ansätze gemacht, aber nicht konsequent weitergedacht. Um kein Potenzial zu verschenken muss man mit einbeziehen, dass auch Arbeitsschritte, die wir als Mensch bereits mit Hilfe des Computers machen – der uns praktisch einen Teil abnimmt – weiter automatisiert werden können.

Komplett automatisiert ist etwas erst, wenn der Computer die Arbeitsschritte ohne menschliches Eingreifen macht. Für uns Selbstständige heißt das, dass wir uns viel unnütze Arbeit sparen, wenn wir uns die verschiedenen Stufen der Automatisierung zunutze machen:

Zumindest punktuell zum paperless Office

Hier zeigt sich, wie dramatisch „Automatisieren“ klingt, obwohl eigentlich wenig dahintersteckt: Schau, wo du überall Papier einsparen kannst! Papier verursacht immer manuelle Arbeit – je mehr wir davon einsparen, desto besser.

E-Mail statt Brief

Alle Welt stöhnt über zu viele E-Mails, aber ich empfehle trotzdem mehr davon. ;) Der Grund ist einfach: Briefe sind, was den Arbeitsaufwand angeht, viel schlimmer. Drucken, kuvertieren, frankieren, zum Briefkasten bringen. Dagegen ist eine E-Mail harmlos. Außerdem ist sie gleich elektronisch abgelegt, bleibt jederzeit verfügbar, sogar von unterwegs, und ist schneller beim Kunden.

Elektronisches Dokumentenmanagement (Ablage, Rechnungen …)

Ich mache wirklich viel online. Trotzdem sammeln sich die Papierordner. Über die Jahre der Selbstständigkeit kommt da einiges zusammen. Neben den gesetzlichen Regelungen ist die Hauptgefahr das „Vielleicht brauche ich das ja doch noch mal“. Damit das Wegschmeißen leichter fällt, kann man scannen und elektronisch ablegen.

Viel Papier entsteht durch Ein- und Ausgangsrechnungen. Früher gab es nix anderes und dann kamen komische Gesetze, die qualifizierte Signaturen und ähnlich unglücklichen Kram für elektronische Rechnungen forderten. Doch mittlerweile wurde die Gesetzgebung gelockert, man braucht keine Signatur mehr und kann sie im Wesentlichen wie normale Papierrechnungen behandeln, solange man die E-Mail aufhebt.

Der Clou ist nun: Manche Buchhaltungsprogramme wie z. B. Collmex können eingehende E-Mails automatisch einlesen und den Rechnungstext maschinell lesen. Beim Buchen bekommt man nun einen automatischen Buchungsvorschlag und das PDF angezeigt. Durch diese Automatisierung sparst entweder du oder dein Steuerberater Zeit und Geld.

Die Bordmittel der Software nutzen

Überleg mal, wie viel Software du schon im Einsatz hast. Spätestens mit Smartphone-Apps kommen wir da schnell auf Dutzende von Programmen. Die meisten davon können mehr, als uns bewusst ist.

Word & Excel ausreizen

… die beiden Klassiker aller Büromenschen – trotzdem kennen sich viel zu wenige damit aus. Doch gerade Excel & Word kann man hervorragend Schritt für Schritt lernen, indem man immer gerade das lernt, was man braucht.

Typische, selten benutzte Funktionen sind z. B. Makros, Inhaltsverzeichnisse, Serienbriefe (gehen auch für E-Mails), Datenbankanbindungen (spart manuelle Exports) oder fortgeschrittene Excel-Formeln. Im engeren Sinn ist schon die Rechtschreibprüfung eine Automatisierung, die uns manuelle Arbeit abnimmt.

Vorhandene Standardsoftware ausreizen

Jeder Selbstständige muss irgendwie Rechnungen schreiben. Die meisten nutzen dafür ein Rechnungsprogramm, eine Warenwirtschaft oder eine ausgewachsene Buchhaltungssoftware. Doch meiner Erfahrung nach werden diese Programme vernachlässigt; häufig nur soweit benutzt, wie es gerade eben nötig ist. Hauptsache, das eine, aktuell gewünschte Dokument kommt richtig heraus. Ganz abgesehen von den kostbaren Informationen, die in dieser Schatzkiste stecken, bieten alle Programme viel Automatisierungspotential.

Die meisten Rechnungsprogramme können automatische Mahnungen erstellen (kein manuelles Prüfen der Kontoauszüge mehr), elektronische Überweisungen (keine Fehler bei Zahlungen mehr) oder Ein- und Ausgangsrechnungen automatisch verbuchen (spart manuelles Eintippen in der Buchhaltung).

Was ist Standardsoftware?

Es gibt Standardsoftware, die von einem Hersteller für viele Kunden mit ähnlichen Anforderungen programmiert wird, z. B. Collmex für Buchhaltung oder Excel für Tabellenkalkulation.

Dann gibt es Individualsoftware, die nur für ein einzelnes Unternehmen entwickelt wird. Diese wird genau an seine Bedürfnisse angepasst und kann deshalb nicht einfach so gekauft werden.

Neue Standardsoftware einsetzen

Wenn du seit vielen Jahren dieselbe Software einsetzt, z. B. Lexware für die Auftragsverwaltung, bist du wahrscheinlich froh, dass es einfach läuft. Doch im Laufe der Zeit ändert sich sowohl die Software als auch dein Unternehmen. Dann kann es sein, dass deine liebgewonnene Software nicht mehr die richtige für dich ist.

Hier heißt es, über das Gewohnte hinwegzusehen. Auch, wenn du zu den Selbstständigen gehörst, die beim Gedanken, sich in eine neue Software einzugewöhnen, die Pusteln kriegen. Relevant ist immer: Machst du trotz der Software sehr viel manuell oder ist irgendjemand an irgendeiner Stelle – ob im eigenen Büro oder bei einem Lieferanten – damit beschäftigt, sich Zusatzinformationen manuell herauszuarbeiten beziehungsweise „zu Fuß“ bestimmte Prozesse zu überbrücken? Dann ist es wirklich höchste Zeit, sich nach neuer Software umzusehen!

Kleine Datenbankanwendungen entwickeln

Sobald ein paar mehr Daten verwaltet werden wollen, wird schnell zu Excel gegriffen. Dabei ist das oft gar nicht das richtige Werkzeug! Excel hat zwei große Schwächen: Es kann nicht gut Daten an andere Systeme weitergeben und es kommt auch nicht mit großen Datenmengen klar. Aus diesen Gründen wird es schnell zu klein. Dann schlägt die Stunde der Datenbankanwendung.

Die bekannteste Form der Datenbankanwendung ist Microsoft Access. Einige haben es sogar noch aktiv in Betrieb. Es gibt zwar mittlerweile modernere Systeme (z. B. Oracle APEX), aber die Kernidee ist richtig: Eine Datenbankanwendung konzentriert sich völlig auf die Datenverwaltung und kann dadurch mehr als Excel, z. B. automatische Schnittstellen, mehrere Leute können gleichzeitig mit den Daten arbeiten und insgesamt können höhere Mengen verarbeitet werden.

Aber: Eine Datenbankanwendung lässt sich leider nicht so einfach erstellen wie ein neues Excel-Blatt oder ein neues Word-Formular. Man muss also entweder selbst Zeit investieren, um das Werkzeug richtig zu lernen, oder jemanden dafür beauftragen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich der Aufwand immer lohnt: Solche Datenbankanwendungen werden einmal erstellt und müssen dann nur noch selten angepasst werden, machen dafür aber kontinuierlich und automatisch ihren Job.

Standardsoftware anpassen

Gerade uns kleinen Selbstständigen reicht oft Standardsoftware. Doch jedes Unternehmen ist anders und deshalb hat jeder leicht andere Anforderungen. Standardsoftware lässt sich zwar konfigurieren, also über Menüs und Einstellungen ein bisschen anpassen, aber manchmal reicht das nicht. Dann lässt sich mehr modifizieren, wenn man in den Programmcode eingreift.

Die gute Nachricht ist, dass Experten dafür meistens relativ wenig Zeit brauchen, da sie die Software kennen und sich viele Änderungswünsche ähneln. Dadurch werden solche Anpassungen auch für kleine Unternehmen bezahlbar.

Beliebte Anpassungen, also Automatisierungspotentiale, sind:

  • Individuelle Berichte: dann muss man nicht immer alles manuell zusammensuchen,
  • zusätzliche Datenfelder: dann kann man die eine Information, die sonst in einer eigenen Liste lag, einfach beim Kunden zugeordnet speichern
  • oder der Versand von E-Mail-Nachrichten in bestimmten Fällen: z. B. E-Mail-Benachrichtigung, wenn Warenbestände knapp werden.

Schnittstellen einrichten

Schnittstellen sind in der Software-Welt immer so eine Sache. Leider ist die häufigste Schnittstelle immer noch der Mensch: Wir tragen Informationen von System A manuell in System B ein. Imports und Exports bilden da nur eine Krücke. Bei echten Schnittstellen greift ein System aufs andere zu und beide tauschen miteinander Daten aus. Das ist besonders bei größeren Datenmengen sinnvoll: Viele Zahlungsausgänge oder viele Lastschriften mit der Bank austauschen oder viele Buchungen automatisch zum Steuerberater übertragen.

Gerade wenn du viele Stunden damit verbringst, Informationen zwischen Systemen hin und her zu schreiben, ist so eine automatische Schnittstelle wichtig. Der Gedanke „Sowas programmieren zu lassen, ist eh viel zu teuer“ ist der falsche Ansatz: Gerade bei Standardsoftware hast du gute Chancen, dass schon mal jemand diese Schnittstelle programmiert hat. Du kannst dann häufig schon für einen niedrigen dreistelligen Betrag etwas fertig Programmiertes bekommen. Mit der gesparten Zeit hast du das schnell wieder raus.

Individuelle Software programmieren

Irgendwann kommt der Punkt, an dem keine Standardsoftware mehr passend zurechtgeschnippelt werden und keine Schnittstelle der Welt den Software-Zoo im eigenen Unternehmen zusammenbringen kann. Dann wird es Zeit für eine eigene, individuell programmierte Software.

Der Preis einer individuellen Software lässt sich genauso zuverlässig schätzen wie der Preis eines individuellen Autos: gar nicht. Deshalb lassen sich so schwer Empfehlungen dazu geben. Grundsätzlich gilt: Wenn keine Standardsoftware ansatzweise die benötigten Funktionen mitbringt, Excel nicht reicht und eigene Datenbankanwendungen keine Option sind, wird es Zeit für einen Termin bei einer Software-Schmiede. Die kann dir schnell sagen, ob eine individuelle Programmierung sinnvoll und bezahlbar ist.

Wichtig ist, dass bei so einem größeren Projekt immer gegenübergestellt werden muss, was momentan an Arbeitszeit versenkt wird – denn jeder Mitarbeiter kostet, die Fehlerquellen kosten, zu lange Dauer kann das Unternehmen in Entscheidungs- und Reaktionszeiten behindern etc.

All die Möglichkeiten…

Häufig sind gerade die Automatisierungsmuffel später ganz begeistert von all den Möglichkeiten, die sich zusammen mit der Automatisierung ergeben – und wollen dann keinen Handschlag mehr selber machen. ;)

Sven Meyer

Geschrieben von: Sven Meyer

Studierter Wirtschaftsinformatiker, ausgebildeter Großhandelskaufmann, fünf Jahre Berufserfahrung als Sachbearbeiter im pharmazeutischen Großhandel. Während des Studiums war ich selbstständig und seit Februar 2019 bin ich fest als Technical SEO Manager angestellt.

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